Die Halde Norddeutschland

Im Ruhrgebiet sind die höchsten Bergehalden eigentlich nördlich des Flusses Emscher zu finden, da mit der Nordwanderung des Bergbaus mit zunehmender Mechanisierung und Abbautiefe auch das Aufkommen an Bergematerial wuchs. Doch auch der Rhein wurde nach Westen übersprungen, das erste Bergwerk auf der anderen Seite war die Zeche Rheinpreußen. Die im Jahr 2001 zum Bergwerk West zusammengeschlossenen Zechen Niederberg, Friedrich Heinrich und Rheinland stellten die westliche Grenze des Ruhrbergbaus dar. In einem Dreieck um die Städte Moers, Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn befinden sich drei Bergehalden, die besonders scharf aus der Landschaft hervorstechen und gute Aussichtspunkte sind – die Halde Rheinpreußen, die Halde Pattberg und eben die Halde Norddeutschland. Alle drei gehören mit zu den höchsten der Halden im Ruhrgebiet.

Von der flächenmäßigen Ausdehnung her ist die Halde Norddeutschland mit ca. 90 ha mit Abstand die größte der Bergehalden am Niederrhein und eine der ausgedehntesten im gesamten Ruhrgebiet. In der Höhe wird sie um wenige Meter von der Halde Rheinpreußen überragt und reicht 74 Meter über der Umgebung hoch auf bis zu 102 m über dem Meeresspiegel. Benannt ist sie nach der unmittelbar benachbarten kleinen Schachtanlage Norddeutschland, dem späteren Schacht Friedrich Heinrich III.

Gipfel einer Bergehalde mit dem Gebäudegerüst eines Hallenhauses als Landmarke
Halde Norddeutschland mit dem markanten übergroßen Hallenhaus

Geschüttet wurde die Halde Norddeutschland zwischen 1952 und 2001 mit ca. 80 Mio. Tonnen Abraum. Die Rekultivierung erfolgte ab 1962 und war 2002 abgeschlossen. Heute ist sie zugänglich und wird rege genutzt zum Spazierengehen, für Drachensport, zum Radfahren, Walken und andere Sport- und Freizeitarten.

Himmelstreppe zum Gipfel

Vom Parkplatz an der Geldernschen Straße führt die Himmelstreppe mit 359 Stufen als kürzester Weg auf den Gipfel der Halde Norddeutschland. Natürlich gibt es für Radfahrende auch Rampen und Serpentinen, die jeweils östlich und westlich der Treppe erreicht werden.

Die Himmelstreppe bildet mehrere Absätze, die jeweils durch die haldentypischen Bermen (das sind schmale Terrassen am Hang) abgesetzt sind. Die erste der sechs Treppensequenzen ist die längste und steilste. Dahinter führt ein Steg über ein kleines Feuchtbiotop mit Schilf. Dabei ist der Steg mit kleinen begrenzenden LED-Lämpchen bestückt, die auch im Dunkeln ein sicheres Überschreiten über die dünnen Stahlplatten ohne Geländer möglich machen. Die folgenden fünf Treppen werden immer kürzer und flacher. Die Treppenachse wird gerne von Sportlern zum Trainieren genutzt – sie laufen immer wieder hinauf und wieder hinunter.

Immer wieder findet man auf den Bermen Bänke, um sich für den nächsten Treppenaufstieg zu erholen. Auf zwei der Ebenen zweigen die Rundwege B und C von der Treppenachse ab. Auf ihnen lässt sich die Bergehalde auf halber Höhe vollständig umrunden. Schneller als gedacht hat man die vielen Stufen gemeistert und steht alsbald auf dem ausgedehnten Gipfelplateau.

Charakteristisch für den Gipfel der Halde Norddeutschland sind hügelige, weite Wiesenflächen. Breite Wege erschließen das Platt. Auch hier sind zwei Rundwege ausgeschildert, der Panoramaweg und der kurze Rundweg A. Dazu kommen Nordic-Walking-Touren.

Das Hallenhaus auf dem Gipfel

Ins Auge fällt sofort das Hallenhaus. Es handelt sich dabei um eine Stahlkonstruktion, die entfernt an ein übergroßes, etwa 10 Meter hohes Gewächshaus im Garten erinnert und vereinzelt fälschlich, aber auch irgendwie passender, als „Haldenhaus“ bezeichnet wird. Gemeint ist allerdings tatsächlich eines der großen Wohn-Stall-Bauernhäuser aus Fachwerk, die vor allem im niederrheinischen und norddeutschen Raum prägend waren und zum Teil noch sind. Dabei befanden sich die Wohnbereiche direkt neben den Ställen unter einem Dach.

Charakteristisch für Hallenhäuser ist meist das große Scheunentor auf der Kopfseite. Das Hallenhaus auf der Halde Norddeutschland ist ein verkleinertes Modell eines solchen Hauses. Es besteht ausschließlich aus dem vereinfachten Fachwerk der Grundform und besitzt keine Wände oder ein Dach. Der Wind kann somit frei durch die Stahlträger wehen. Auf dem Vorplatz des Hauses steht ein separates Häuschen, das entfernt an eine kleine Hundehütte erinnert.

Blick aus der Froschperspektive auf das in einer Pfütze spiegelnde Gerüst eines Hauses ohne Wände auf einem Berg
Das Hallenhaus der Halde Norddeutschland im Spiegel einer Pfütze
Blick auf die nicht vorhandene Frontfassade des Hallenhauses auf der Halde Norddeutschland, einem Gerüst eines Gebäudes ohne Wände
Giebelseite des Hallenhauses auf der Halde Norddeutschland

Abends werden die Treppe und auch das Hallenhaus beleuchtet, bieten damit eine besondere Atmosphäre und stellen für sich weithin sichtbare Landmarken dar – das Stahlgerüst ist auch von den Nachbarhalden mit bloßem Auge gut erkennbar.

Wanderbare HaldenDiese Halde wird im Reiseführer „Wanderbare Halden“ von Nikola Hollmann & Andrea Slavik beschrieben und ist dort Teil einer Wanderung, die außerdem weitere interessante Ziele in der Umgebung vorstellt. Wanderbare Halden: Die schönsten Revier-Wandertouren mit Aus- und Weitblick*

Aussicht auf Landmarken der Umgebung

An jeder Seite des ausgedehnten Gipfels hat man bei entsprechendem Wetter eine gute Weitsicht über das äußerst flache niederrheinische Tiefland. Ins Auge fallen scharf hervorstechende Erhebungen wie die Halde Rheinpreußen in östlicher Richtung, deren rote Grubenlampe mit Fernglas oder Adlerauge gut sichtbar ist, die Halde Pattberg im Norden, die Deponie Eyller Berg vor den Windrädern im Nordwesten oder auch der Alsumer Berg bei Duisburg auf Ostnordost (links von der Halde Rheinpreußen inmitten der Industrieanlagen).

Besondere Landmarken in der Umgebung sind das Kloster Kamp oder die Industriekulisse entlang der Rheinschiene. Zahlreich sind aber vor allem die vielen kleinen umliegenden Städte und Dörfer, weite Felder und die Kies-Seen bei Rheinberg.

Das Hallenhaus von einem nördlichen Aussichtspunkt gesehen (Teleobjektiv)
Das Hallenhaus von einem nördlichen Aussichtspunkt gesehen (Teleobjektiv)
Giebelseite des Gerüstes eines Hauses auf einem Berggipfel. Im Hintergrund ist eine Kulisse von Industrie und Gebäuden am Horizont zu sehen
Industriekulisse der Umgebung hinter dem Hallenhaus

Grüne GlücksorteDie Halde ist außerdem ein „grüner Glücksort“ im gleichnamigen Buch von Thomas Dörmann. Unter dem Leitsatz „Geh raus & blüh auf“ bietet es 80 Ziele aus den grünen Parks, Halden und Landschaften im Ruhrgebiet: Grüne Glücksorte im Ruhrgebiet*

Drachenflieger-Halde

Die Halde Norddeutschland ist ein beliebtes Ziel für Drachen- oder Gleitschirmflieger und Modellflugzeuge, die allesamt bei schönem Wetter beobachtet werden können. Alle nutzen den Wind an dieser hoch über der Umgebung exponierten Stelle aus. Der Wind kommt auch denen zugute, die auf der Halde einen Drachen steigen lassen. Mitunter lassen sich prächtige Exemplare bewundern – vom kleinen, flinken Sportlenkdrachen bis hin zu riesigen Luftmatratzen, die kräftig an den Schnüren zerren.

Einmal im Jahr findet an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen im Sommer auf der Halde das Dong Open Air statt – ein Metal-Festival.

Informationen zum Besuch:

Die Halde, die Himmelstreppe und das Hallenhaus sind ständig frei zugänglich. Die Beleuchtung der Treppe und des Hallenhauses ist gewöhnlich in den Abendstunden eingeschaltet.

Anreise mit dem Auto:

Auf der A57 bis zur Ausfahrt 9 Moers-Hülsdonk. Aus Richtung Düsseldorf / A40 rechts, aus Kamp-Lintfort links abbiegen auf die Geldernsche Straße. Dem Verlauf ca. 2 km geradeaus Richtung Kamp-Lintfort folgen. Hinter den letzten Häusern von Neukirchen-Vluyn befindet sich in ein kostenloser Parkplatz (Schild: Halde Norddeutschland rechts) direkt am Fuße der Himmelstreppe.

Zieleingabe in das Navigationssystem: Geldernsche Straße, Nähe Kreuzung Hochkamerstraße in Neukirchen-Vluyn

Anreise mit Bus und Bahn:

Eine direkte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr gibt es nicht. Von der nächsten Bushaltestelle ist ein Fußweg von etwa 20 Minuten erforderlich.

Mit dem Zug der Linie RB 31 von Duisburg Hbf. bzw. Rheinhausen bis Moers. Dort Umsteigen in den Bus der Linie 929 Richtung Venlo Station bzw. Vluyner Südring. Die zur Halde nächstgelegene Haltestelle ist Gewerbegebiet Nord, die Fahrtzeit beträgt etwa 20 Minuten. Von hier aus geht es zu Fuß weiter, entweder von der Haltestelle wenige Meter gegen die Fahrtrichtung zurück und die Hochstraße (Kreuzung vor Kreisverkehr) nach Norden oder von der Haltestelle in die Havelstraße (wenige Meter in Fahrtrichtung und dann rechts) und der Elbestraße und dem Averdunksweg sowie den folgenden Fußgängerwegen folgen – im Grunde immer mehr oder weniger geradeaus. Mit beiden Varianten stößt man auf die Geldernsche Straße, die an einem Überweg vor der Halde sicher überquert werden kann. Hier befindet sich auch die Zufahrt zum Parkplatz der Halde.

Anreise mit dem Fahrrad / E-Bike:

In der Nähe der Halde führt ein Weg der NiederRheinroute vorbei.

Kartenmaterial / Literatur:

In den folgenden gedruckten Rad- und Wanderkarten und Tourenführern ist die Halde Norddeutschland bzw. die Region abgebildet: ADFC Regionalkarte radrevier.ruhr West* (1:50.000), Kompass Fahrradkarte Kreis Wesel* (1:50.000).

Diese thematisch passenden Bücher empfehle ich zur Vertiefung: Wanderbare Halden: Die schönsten Revier-Wandertouren mit Aus- und Weitblick* und Halden, Himmel, Horizonte: Die Gipfel des Reviers*

Geographische Koordinaten:
51°27’56.20″N, 6°33’58.30″E – Beginn Himmelstreppe
51°28’05.21″N, 6°34’08.56″E – Hallenhaus
Die Koordinaten können in das Eingabefeld von beispielsweise GoogleEarth und OpenStreetMap kopiert werden.

UTM-Koordinaten (Zone 32):
330947 m, 5704414 m – Beginn Himmelstreppe
331154 m, 5704685 m – Hallenhaus

Nützliche Informationen zum Lesen der Koordinaten und Verwendung in GPS-Geräten bietet der Beitrag Anreise, GPS und Co.

Quellen und weitere Informationen:

Ausdauersportverein Neukirchen-Vluyn: www.as-neukirchen-vluyn.de
Dong Open Air: www.dongopenair.de