Der Westpark und die Jahrhunderthalle Bochum
Die Mischung von Industriekultur zum Anfassen und wilder Natur ist eine beeindruckende Kombination. Das ganze Jahr über gibt es viel zu entdecken und neue Blickwinkel und Ansichten zu erforschen. Sicherlich bekanntestes Beispiel dafür ist der Landschaftspark Duisburg-Nord im Stadtteil Meiderich. Dort lässt sich auf Hochofen klettern und zwischen den alten, inzwischen rostenden Industrie-Anlagen flanieren. Doch so ganz einzigartig, wie man vielleicht denkt, ist das gar nicht. Denn in einer etwas kleineren Variante finden interessierte Besuchende, Botaniker oder Hobbyfotografen eine solche Anlage mit sehr ähnlichen Elementen auch im Herzen vom Ruhrgebiet: Im Westpark Bochum – im Stadtteil Stahlhausen.
Rings um das Kultur- und Veranstaltungszentrum Jahrhunderthalle erstreckt sich ein Park auf dem Gelände des ehemaligen Stahlwerks. Manch kühne Brückenkonstruktion wie die Erzbahnschwinge führen Radfahrende und Spaziergänger über Teiche, Straßenebenen und Eisenbahntrassen. Mit der Erzbahntrasse und dem Parkband West enden gleich zwei wichtige Radverkehrs-Verbindungen im Westpark.
Die folgenden Themen sind Teil dieses Beitrags und werden ausführlicher vorgestellt:
Ehemaliges Krupp-Stahlwerk
Nicht einmal ein Kilometer von der Innenstadt entfernt befindet sich diese Parkanlage. Ihre Bezeichnung erhält sie natürlich aus ihrer Lage westlich von der Stadtmitte. Der Westpark liegt auf dem Gelände der ehemaligen Krupp-Stahl AG.
In der nachfolgenden Karte ist der Park in der Mitte dargestellt. Mit der Maus oder dem Finger können Sie interaktiv auf das Luftbild aus den 1950er Jahren umschalten, sodass sich die enormen Entwicklungen von damals bis heute gut nachvollziehen lassen. Man erkennt darauf ein Gewirr von Hallen, Wegen und Schienen. Und auch eine dichte Rauchfahne aus einem Schornstein zieht über das Gelände.
Weniger gut aus der Luft als bei einem Spaziergang festzustellen ist, dass sich der komplette Westpark auf unterschiedlichen Höhenstufen erstreckt. Dies äußert sich durch befestigte Böschungen und Stützmauern, die zum Teil über steile Treppen, Leitern, Rampen und Brücken zu erzwingen sind. Diese Höhenunterschiede zeugen von der speziellen Architektur dieses Stahlwerks früher. Auf die Art und Weise in die Höhe zu bauen, konnte der beschränkte Platz vor den Toren der Innenstadt gut ausgenutzt und Produktions-Abläufe verbessert werden. Neben Schlacke und Asche aus der Verbrennung diente auch Bergematerial der Zechen als Masse für das Gelände.
Das Colosseum – ein Hauch Rom im Revier
Die markanteste Stützmauer mit Gewölbe-Bögen aus Ziegelsteinen befindet sich im Süden an der Alleestraße. Durch eine gewisse Ähnlichkeit zum berühmten Kolosseum in Rom trägt es die Bezeichnung Colosseum. Auch dieses war nichts anderes als Fundament von Hallen, die ganz oben auf dieser höchsten Geländestufe zusätzlich noch in die Höhe ragten und heute verschwunden sind.
Die folgenden Bilder zeigen Teile des Colosseums und weitere typische Stützmauern und Böschungen in der Landschaft. In einigen der Gewölbe-Bögen sind bzw. waren auf der Straßenseite bunte Kunst-Objekte aufgestellt.
Der ganze Westpark erstreckt sich rings um das Veranstaltungszentrum mit dem schönen Namen Jahrhunderthalle. Die 1902 gebaute Halle diente anfangs für Ausstellungen. Erst später baute man sie zur Gebläsemaschinenhalle für Hochöfen um. Im Jahr 2003 wurde die Halle wieder zu einem Kultur- und Veranstaltungszentrum, wie sie es anfangs bereits einmal war.
Hoch über der Halle steht der aus fast allen Teilen des Parks sichtbare grüne Wasserturm, der eine Landmarken-Funktion hat. Zugleich liegt die Jahrhunderthalle wie in einem Krater fast an der tiefsten Stelle des Parks und wird von den erwähnten Höhenschichten eingerahmt.
Ein Spaziergang durch den Westpark
Zahlreiche Wege, Rampen, Treppen und Brücken durchziehen den Westpark. Sie verbinden so die künstlich entstandenen Terrassen miteinander. An verschiedenen Stellen finden sich Fundamente, Laternen, Gleisanlagen oder andere Zeugen der vergangenen Industrie-Epoche. Einige ehemalige Klärbecken wurden zum Biotop. Hier wachsen Pflanzen und schwimmen Fische in früher toten Betonbecken.
Besonders typisch für den Westpark sind die kleinen grau-blauen Würfel entlang der Wege, eine unauffällige und markante Beleuchtung. Teile der Jahrhunderthalle, der Wasserturm und zwei Kühltürme werden außerdem nachts farbig beleuchtet.
Zwischen Bäumen und Flieder-Büschen entdeckt man immer wieder Überreste von Früher. Und so lassen sich in jeder Jahreszeit neue Verwandlungen entdecken. Immer ist der Besuch anders und überraschend. Nach dem Spaziergang oder der Radtour lässt sich in der Außengastronomie neben der Turbinenhalle neue Energie schöpfen. Bei schönem Wetter sitzt man dann unter dem Sonnenschirm und kann mit etwas Glück gemeinsam mit einem Reiher die Fische im Teich beobachten.
Der Westpark ist ein „grüner Glücksort“ im gleichnamigen Buch von Thomas Dörmann. Unter dem Leitsatz „Geh raus & blüh auf“ bietet es 80 Ziele aus den grünen Parks, Halden und Landschaften im Ruhrgebiet: Grüne Glücksorte im Ruhrgebiet*
Erzbahnschwinge und Beginn der Erzbahntrasse
Im Westpark beginnt der Radweg auf der Erzbahntrasse, ein Bahntrassenradweg auf der ehemaligen Güterbahn zwischen dem Bochumer Verein und dem Verladehafen am Rhein-Herne-Kanal bei Gelsenkirchen. Geprägt ist der Weg durch zahlreiche spektakuläre Brückenbauwerke, darunter auch die Erzbahnschwinge. Diese befindet sich in der äußersten nordwestlichen Ecke vom Westpark Bochum. Unter schrägstehenden Pylonen beschreibt die Fahrbahn der Hängebrücke eine enge S-Kurve. Bauwerke wie die Erzbahnschwinge machen auch den Radweg sehr beliebt und bekannt.
Die Jahrhunderthalle Bochum: Ein Ort mit Geschichte und Vielseitigkeit
Die Jahrhunderthalle Bochum, heute ein Kulturzentrum im Herzen des Westparks auf dem Gelände des einstigen Stahlwerks, ist weit mehr als nur eine Veranstaltungsstätte. Ihre Geschichte reicht bis ins Jahr 1902 zurück, als sie als Ausstellungspavillon für die Industrie- und Gewerbeausstellung in Düsseldorf errichtet wurde. Damals ähnelte sie einer Kirche mit einem markanten Kirchturm und einer interessanten Giebelfassade.
Ursprünglich war die Halle als temporäres Gebäude konzipiert, doch bereits bei ihrer Planung war der Abbau und die Umsetzung nach Bochum vorgesehen. Nach dem Ende der Ausstellung wurde die Halle im Jahr 1903 demontiert und an ihrem heutigen Standort an der Alleestraße in Bochum wieder aufgebaut, allerdings ohne Turm und Fassade.
In den folgenden Jahren erfüllte die Halle verschiedene Funktionen, darunter die Nutzung als Gaskraftzentrale inmitten des Guss-Stahlwerks, wo sie als Energielieferant für die Anlagen und Hochöfen diente. Nach der Stilllegung des Stahlwerks im Jahr 1985 wurde die Halle zunächst als Lagerhalle genutzt, bevor sie ab 1991 für kulturelle Zwecke umgewidmet wurde.
Eine Modernisierung erfolgte im Jahr 2003 im Rahmen der Internationalen Bauausstellung IBA Emscher Park, bei der ein neues zweigeschossiges Foyer hinzugefügt wurde. Heute erstreckt sich die Jahrhunderthalle über 158 Meter Länge und bis zu 21 Meter Höhe, mit einer Breite von 70 Metern in allen Hallenschiffen.
Besuchende haben die Möglichkeit, die faszinierende Geschichte und Architektur der Jahrhunderthalle bei Veranstaltungen zu erleben oder an speziellen Führungen teilzunehmen, die beispielsweise einen Einblick in die Unterwelt und Versorgungsschächte bieten oder die Halle bei Nacht präsentieren.
Die Jahrhunderthalle Bochum ist nicht nur ein Ort für kulturelle Veranstaltungen, sondern auch ein lebendiges Zeugnis der industriellen Vergangenheit des Ruhrgebiets, das es geschafft hat, sich im Laufe der Zeit zu einem bedeutenden kulturellen Zentrum zu entwickeln.
Der Historische Jahrmarkt in der Jahrhunderthalle: eine Zeitreise
Der Historische Jahrmarkt, der in den Hallen alljährlich etwa im Februar stattfindet, entführt Besucher zurück in die charmante Atmosphäre der Jahrmärkte und Volksfeste vergangener Jahrzehnte.
Das Herzstück des Historischen Jahrmarkts sind die Karussells, die eine Zeitreise durch verschiedene Epochen bieten. Unter den Attraktionen befinden sich Karussells aus den 1930er und 1950er Jahren sowie ein Riesenrad von 1902. Einige dieser Karussells wurden liebevoll restauriert und wieder in Betrieb genommen, nachdem sie jahrzehntelang eingelagert waren, und bieten nun ein authentisches Erlebnis vergangener Zeiten.
Was den Historischen Jahrmarkt in der Jahrhunderthalle besonders macht, ist seine Indoor-Lage, die es Besuchenden ermöglicht, unabhängig von den Wetterbedingungen das nostalgische Ambiente zu genießen, selbst im Winter. Hier finden sich Attraktionen, die von alten Geisterbahnen und klassischen Pferdchen-Rundkarussells bis hin zur Raupenbahn mit Rock’n’Roll-Musik reichen. Ein Karussell mit historischen Fahrzeugen, Motorrädern oder sogar einer alten Straßenbahn lässt die Herzen von Liebhabern alter Technik höher schlagen, während eine Berg- und Talbahn für den nötigen Nervenkitzel sorgt.
Die Fahrgeschäfte auf dem Historischen Jahrmarkt sind nicht nur nostalgisch, sondern auch sicher, da sie alle TÜV-geprüft sind. Klein und Groß können sich auf eine Vielzahl von Attraktionen freuen, darunter auch Klassiker wie der „Selbstfahrer“, heute besser bekannt als Autoscooter, sowie alte Schiffschaukeln und ein faszinierendes Spiegelkabinett, das die Sinne verwirrt und für überraschte Lacher sorgt.
Der Eintritt zum Historischen Jahrmarkt schließt ein, alle Fahrgeschäfte beliebig oft zu genießen und sich in eine vergangene Ära der Unterhaltung zu versetzen.
Informationen zum Besuch:
Öffnungszeiten und Eintrittspreise: Der Park ist ständig frei zugänglich. Die Jahrhunderthalle ist gewöhnlich nur im Rahmen von Veranstaltungen oder Führungen zu besichtigen. Informationen dazu bietet die unten angegebene Internetseite.
Der Besuch im Westpark Bochum lässt sich sehr gut mit anderen Zielen kombinieren, wie dem Zoo, dem Deutschen Bergbau-Museum oder dem Planetarium.
Dies gelingt besonders gut mit dem Fahrrad, denn der Westpark wird von zwei bekannten Radwegen erschlossen. Von hier aus führt zum einen der Bahntrassenradweg auf der Erzbahntrasse nach Gelsenkirchen. Auf halber Strecke gibt es einen Anschluss an die Kray-Wanner Bahn Richtung Essen, über die die Zeche Zollverein, die Halde Rheinelbe, der Landschaftspark Mechtenberg sowie der Nordsternpark zu erreichen sind.
Zum anderen führt das Parkband West zum Bahntrassenweg auf der Springorumbahn, die wiederum bis ins Ruhrtal zum RuhrtalRadweg führt. Mithilfe des gut ausgebauten Themen-Radwegnetzes lässt sich der Westpark in spannende Rundtouren einbauen.
Anreise mit dem Auto:
Auf der A40 bzw. A448 bis zum Dreieck Bochum West. Dort die Ausfahrt Bochum-Stahlhausen nutzen. Aus Richtung Dortmund links, aus Richtung Essen rechts abbiegen auf die Wattenscheider Straße Richtung Bochum Innenstadt, nach etwa einem Kilometer an der großen Kreuzung geradeaus fahren und hier parken. Es gibt sowohl einen Parkplatz als auch ein Parkhaus.
Zieleingabe ins Navigationssystem: Wattenscheider Straße, Kreuzung Gahlensche Straße in Bochum
Anreise mit Bus und Bahn:
Von Bochum Hauptbahnhof mit der Straßenbahn 302 oder 310 Richtung Höntrop Kirche bis zur Haltestelle Jacob-Mayer-Straße / Jahrhunderthalle (am Colosseum). Alternativ mit der RB 46 bis Bochum-West und dann auf der Alleestraße ein kurzes Stück bis zur Freitreppe nach Westen laufen.
Anreise mit dem Fahrrad / E-Bike:
Der Westpark liegt am südlichen Ende der Erzbahntrasse aus Richtung Gelsenkirchen. Außerdem endet im Park das Parkband West, das wiederum zur Springorumbahn bei Weitmar führt.
Kartenmaterial / Literatur:
In den folgenden gedruckten Rad- und Wanderkarten und Tourenführern ist der Westpark bzw. die Region abgebildet: ADFC Regionalkarte radrevier.ruhr West* (1:50.000) und Kompass Fahrradkarte Ruhrgebiet / Bergisches Land* (1:70.000).
In diesen Reiseführern oder Büchern ist das Ziel als Beitrag thematisiert: Grüne Glücksorte im Ruhrgebiet*.
Diese thematisch passenden Bücher empfehle ich zur Vertiefung: Ruhrgebiet – Abenteuer Reiseführer Michael Müller Verlag: 33 Stadtabenteuer zum Selbsterleben* und Industrieland Nordrhein-Westfalen: Eine fotografische Reise durch die Industriegeschichte*.
Koordinaten für GPS-Geräte und zur Tourenplanung
Geographische Koordinaten:
51°28’52.13″N, 7°11’55.63″E – Jahrhunderthalle Bochum
51°29’03.42″N, 7°11’43.23″E – Erzbahnschwinge (Parkseite)
51°28’44.31″N, 7°11’56.25″E – Colosseum
51°28’46.05″N, 7°12’09.43″E – Zugang Freitreppe von der U-Bahn
Die Koordinaten können in das Eingabefeld von beispielsweise GoogleEarth und OpenStreetMap kopiert werden.
UTM-Koordinaten (Zone 32):
374925 m, 5704870 m – Jahrhunderthalle Bochum
374695 m, 5705225 m – Erzbahnschwinge (Parkseite)
374931 m, 5704629 m – Colosseum
375187 m, 5704676 m – Zugang Freitreppe von der U-Bahn
Nützliche Informationen zum Lesen der Koordinaten und Verwendung in GPS-Geräten bietet der Beitrag Anreise, GPS und Co.
Quellen und weitere Informationen:
Jahrhunderthalle Bochum: www.jahrhunderthalle-bochum.de