Der Seseke-Weg – Über Wasser Gehen
Das gewaltige Umbauprojekt der Emscher vom Abwasserkanal zurück zum natürlichen Fluss ist inzwischen über die Grenzen des Ruhrgebietes bekannt. Im östlichen Ruhrgebiet existiert mit der Seseke jedoch noch ein zweites, recht großes Gewässersystem, das ebenfalls als „Köttelbecke“ diente und kanalisiert war. Jahrzehnte später wurde das Sesekeprogramm entwickelt, das die naturnahe Rückgestaltung des Laufs vorsah. Auf dem Seseke-Weg kann man den Wandel mit dem Fahrrad erfahren und den Fluss (fast) von der Quelle bis zur Mündung in die Lippe begleiten.
In der folgenden Karte ist der Verlauf vom Seseke-Weg als pinkfarbenes Band eingezeichnet und mit Kilometermarken versehen. Die mit Nummernpunkten gekennzeichneten Orte und Wegpunkte werden im Text besonders beschrieben. Mit blauen Richtungspfeilen sind anschließende Themen-Radrouten markiert, also beispielsweise die Römer-Lippe-Route, der Bahntrassenweg auf der Klöcknerbahn oder der Radweg an der Körne. Über diese sind frei zusammengestellte, auch größere Rundtouren in der breiten Lippeniederung möglich.
Vom Wandel der Seseke
Die Seseke ist ein etwa 30 Kilometer langer Fluss, der bei Holtum im Bereich der Grenze zwischen dem Kreis Soest und dem Kreis Unna aus mehreren Bächen entsteht. Er verläuft in Ost-West-Richtung vorbei an Bönen, durch Kamen, unterquert den Datteln-Hamm-Kanal und mündet schließlich bei Lünen in die Lippe.
Bedingt durch den einsetzenden Bergbau gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam es immer häufiger zu Bergsenkungen, die Probleme beim Abfluss des Wassers bereiteten und zu beinahe regelmäßigen Hochwassern führten. Darüber hinaus wurde die Seseke immer mehr zu einem stinkenden und dreckigen Kanal für Haus- und Industrieabwässer – beides verhielt sich genauso wie bei der Emscher.
Ab 1913 erfolgten die systematische Begradigung der Seseke mit einer Stein- oder Betonsohle und die Errichtung von Pumpwerken. Wie bei der Emscher verlegte man die Mündung in die Lippe um.
Sesekeprogramm – Renaturierung der Seseke
Der Wandel erfolgte in den 1980er Jahren, als das Sesekeprogramm vorgestellt wurde. Möglich wurde dies unter anderem durch die Aufgabe der Kohleförderung und das allmähliche Abklingen der Bergsenkungen, ebenfalls ganz ähnlich wie beim späteren Emscherumbau.
Seit 2005 entstanden separate, unterirdische Abwasserkanäle, die fortan das Schmutzwasser den vier neu errichteten Kläranlagen zukommen lassen. Das kanalisierte Flussbett wurde aufgebrochen und einer naturnahen Umgebung nachempfunden. Dem gesamten Flussverlauf wurde an vielen Stellen viel mehr Platz eingeräumt, die Ufervegetation reicht nun bis an oder in das Wasser. Die gesamten Investitionen betrugen über 500 Millionen Euro.
Die Seseke ist ein „grüner Glücksort“ im gleichnamigen Buch von Thomas Dörmann. Unter dem Leitsatz „Geh raus & blüh auf“ bietet es 80 Ziele aus den grünen Parks, Halden und Landschaften im Ruhrgebiet: Grüne Glücksorte im Ruhrgebiet*
Flussradweg und Seseke-Kunst
Ein besonders gutes Bild von der Renaturierung können sich Radfahrende auf dem Seseke-Radweg machen. Auf 25 Kilometern Länge verläuft der Flussradweg von Bönen-Flierich, nicht weit vom Quellgebiet entfernt, bis zur Mündung in Lünen größtenteils in unmittelbarer Nähe des Wassers. Er ist durchgehend ausgebaut, sehr gut beschildert und bietet regelmäßig Rastmöglichkeiten oder Informationspunkte zu bestimmten Orten, zur Geschichte oder ökologischen Themen.
Seine einmalige Besonderheit sind die im Abstand weniger Kilometer am Seseke-Weg zu entdeckenden Installationen der 2010 stattgefundenen Kunstaktion Über Wasser gehen, die immer mit der Seseke, mit dem Gewässerumbau oder mit dem Thema Wasser zu tun haben.
Die heute noch verbliebenden Werke machen die Fahrt äußerst abwechslungsreich und kurzweilig und sorgen so auch bei einer Fahrt mit Kindern für einen Ansporn, immer weiter zu fahren, um das nächste Bauwerk am Wegesrand zu entdecken.
Beschilderung, Oberflächenbeschaffenheit und Nachbarwege:
Der Seseke-Weg wird durch ein grün-weißes Piktogramm markiert. Es ist zum Teil an den Beschilderungen des Radverkehrsnetzes NRW angebracht, die, vor allem an Kreuzungen aufgestellt, auch die Entfernung zum Ziel oder zu den Etappen in Lünen, Kamen oder Bönen angeben. Außerdem sind Sperrpfosten an den Zugängen zum Radweg, die die Einfahrt für Autofahrer verwehren, einheitlich in grün/gelb gehalten.
Der Weg ist mit einem geringen Gesamtgefälle eine Flachlandstrecke. Nahezu der gesamte Weg besteht aus einem Radweg üblicher Breite mit einer wassergebundenen Decke. An wenigen Stellen ist er geteert oder gepflastert. In den Stadtbereichen werden teilweise ruhige Nebenstraßen oder gar Fahrradstraßen genutzt. Manch eine Landstraße muss ebenengleich überquert werden.
Angeschlossen ist der Seseke-Weg an zahlreiche andere Themen-Radwege. Sie werden im Verlauf angegeben.
Kartenmaterial / Literatur:
In den folgenden gedruckten Rad- und Wanderkarten und Tourenführern ist die Region abgebildet: ADFC Regionalkarte radrevier.ruhr Ost* (1:50.000) sowie zum größten Teil in der Kompass Fahrradkarte Ruhrgebiet / Bergisches Land* (1:70.000) und in der Kompass Wanderkarte Ruhr* (2 x 1:35.000).
Diese thematisch passenden Bücher empfehle ich zur Vertiefung: Radtouren am Wasser* und Radgenuss Ruhrgebiet: Auf Traumtouren durch das Revier*
Von Flierich nach Bönen
Start dieser Radtour ist der Treffpunkt Seseke-Weg am Butterwinkel, irgendwo in der Pampa unweit eines Sportplatzes in Flierich. Warum es nicht günstiger gelegen sein darf, weiß keiner so genau. Immerhin gibt es in der Nähe einen Parkplatz und eine Anbindung zum Alleenradweg auf der alten Eisenbahntrasse Unna-Welver, der sehr gut für die Anreise oder auch als alternativer Rückweg genutzt werden kann.
Hier am Treffpunkt Seseke-Weg befindet sich ein Aussichtshügel auf den Fluss, der hier in kleinen, aber scharfen Mäanderbögen fließt. Der Lünerner Bach stößt nicht weit von hier in die Seseke dazu. Im Gegensatz zu vielen anderen Flussradwegen hat der Sesekeweg seinen Ursprung nicht im Quellgebiet, das sich bei Werl im Kreis Soest befindet, sondern bleibt strikt auf dem Gebiet des Kreises Unna.
Golddorf mit historischem Kirchplatz
Vom Aussichtshügel folgen wir der Beschilderung am Sportplatz vorbei bis zur Kamener Straße. Von weitem ist der blaue Riesenstuhl im Garten rechts zu sehen. Hier lohnt ein Abstecher nach rechts in den Ortskern von Flierich, wo sich rings um die evangelische Kirche der Kirchplatz erstreckt. Die Kirche stammt aus dem 12. Jahrhundert. Eingerahmt werden Kirche und Kirchplatz von Fachwerkhäusern, die zusammen mit dem Gotteshaus das einmalige Ensemble des kleinen Dorfes ausmachen. Hinter der Kirche, am Parkplatz des Gasthauses, steht das alte Backhaus.
Sandbachtal und zwei Rückhaltebecken
Zurück an der Kreuzung Butterwinkel fahren wir ortsauswärts Richtung Bönen auf dem straßenbegleitenden Radweg. Rechts zweigt der Schacht-VI-Weg ab, der als wahrscheinlich kürzester Themenradweg im Ruhrgebiet die Schachtanlage VI der Zeche Königsborn erschließt. Wer mag, kann hier abbiegen und nach kurzer Zeit eine Lichtung mit einem Teufkübel als Denkmal besichtigen.
Knapp 2 Kilometer geht es entlang der Kamener Straße weiter. Dabei passieren wir auch das NSG Sandbachtal, wo der Sandbach durch ein sanftes Tal fließt. Auch er ist insbesondere südlich von hier renaturiert und von seiner grabenartigen Begradigung am Rande der Felder befreit worden. Heute wächst hier ein Galeriewald – an der Einmündung in die Seseke an der Fröndenberger Straße steht eine Infotafel dazu.
Schließlich biegen wir rechts ab in die Kleystraße, einem schmalen, asphaltierten Wirtschaftsweg. Links erstreckt sich ein Rückhaltebecken der Seseke. Hinter dem Fluss biegen wir rechts ab und fahren auf der Krone des mehrere Meter über Umgebung und Seseke überragenden Deiches weiter. Am Fluss sitzt ein Eisvogel, flüchtet aber ebenso wie ein paar Rehe auf einem der Felder hinter dem Fluss. In Blicknähe ist bereits der markante Turm, der unser nächstes Etappenziel darstellt.
Mistel-Paradies Südholz
An der Brücke Speckenstraße beginnt eines der größten Waldgebiete Bönens, wobei die Gemeinde insgesamt zu den waldärmsten Gemeinden in Nordrhein-Westfalen zählt. Es ist als Mergelberg, Bönener Berg, Ziegeleibusch, „Trimm-Dich-Wald“ oder schlicht Südholz bekannt. Auf dem Gelände entstand in der Mitte des 19. Jahrhunderts die erste Ziegelei für Dachpfannen und Mauerziegel, wo auch Ton abgebaut wurde.
Ab 1915 gehörte die Ziegelei zur nahen Zeche Königsborn, wo das Produkt ebenfalls gebraucht wurde. Ihr Betrieb endete 1960. Die alten Tongruben wurden verfüllt und das Gebiet aufgeforstet. Zur Freizeitnutzung entstand in den 1970ern der heutige Mergelbergteich und ein Trimm-Dich-Pfad, der auch zum Namen im Volksmund führte. Der Pfad existiert heute nicht mehr. Der See jedoch lässt sich sehr gut im Rahmen eines Spaziergangs oder auf dem Rad erkunden. Er ist die abgespeckte Version eines seinerzeit größeren geplanten Sees der Seseke, der verworfen wurde.
Bei einem Spaziergang fallen auch die zahlreichen Misteln (Mistelzweige) auf, die kugelförmig in den Baumwipfeln hängen. Tatsächlich ist Bönen eine Hochburg von Misteln in Deutschland – kein anderer Landstich zählt so viele von ihnen. Und auch im Südfeld sind sie heimisch und wären wichtige Zutat für Miraculix´ Zaubertrank oder für verliebte Paare ein traditionsreicher Grund zum Küssen. Andere werfen ihren Blick auf den Waldboden und entdecken zwischen den Baumstämmen Fruchtkörper von verschiedensten Pilzen…
Hinweise zur Anreise zum Südholz:
Neben dem Sesekeweg kann man das Südholz vom Bahnhof Bönen oder von einem Parkplatz am Kletterpoth (nahe Kreuzung und Bushaltestelle Feldstraße) erreichen.
Zeche Königsborn – Ostpol des Ruhrgebiets
Auf der anderen Seite des Schwarzen Weges befindet sich ein kleiner Rastplatz mit Information zum zweiten, größeren Rückhaltebecken, das sich nun vor uns ausbreitet. Es wird von der Seseke durchflossen und staut im Hochwasserfalle das Wasser an, um es später, bei sinkenden Pegeln, kontrolliert wieder abzugeben.
Auf dem Schwarzen Weg passieren wir die Bahnstrecke Unna-Hamm und Bönen. Direkt dahinter könnte man links abbiegen auf den Max-von-der-Grün-Weg auf ehemaliger Bahntrasse. Direkt dahinter steht mit dem als Ostpol bezeichneten Förderturm der Zeche Königsborn ein bedeutendes Industriedenkmal, Veranstaltungszentrum und Wahrzeichen für die kleine Gemeinde. Es markiert die östliche Grenze der Landmarkenkunst Der Turm wird nachts mit den „Yellow Markern“, gelben Leuchtstoffröhren, illuminiert.
Am benachbarten Schwimmbad befindet sich ein ausreichend großer öffentlicher Parkplatz, an dem die Tour begonnen werden kann. Außerdem lässt sich hier das Praktische mit dem Nützlichen verbinden – einer kalten Dusche nach der Radtour und ein paar Bahnen oder Saunagänge zum Entspannen. Alternativ ist der Bahnhof Bönen von hier aus nicht weit entfernt, der sehr gut für eine An- oder Abreise mit dem Nahverkehr genutzt werden kann.
Am Bahnübergang zweigt der Max-von-der-Grün-Weg auf alter Bahntrasse Richtung Unna vom Seseke-Weg ab. Vom Förderturm aus fahren wir entweder über den Vorplatz (via Zechenstraße) oder über den Andachtsplatz am Bahnübergang zurück zum Schwarzen Weg und folgen der Beschilderung zum Ortsausgang von Bönen.
Rexebachweg und Laternen, die falschrum stehen
An der Kläranlage stoßen wir auf den Rexebachweg, der ebenfalls als Verbindung vom Schwimmbad zum Sesekeweg genutzt werden kann. Der Radweg folgt auf 1,4 km Länge dem Rexebach, von hier aus nicht weit von der Mündung, bis hin zur Nordstraße, einer typischen und schönen Zechensiedlungsstraße.
An der Verbindung der beiden Wege zeigt sich noch einmal das Wahrzeichen Bönens, der Förderturm der Zeche Königsborn, in aller Pracht.
Fünf Straßenlaternen stehen am Wegesrand, beleuchten allerdings nicht den Radweg, sondern den daneben verlaufenden Rexebach. Außerdem hängt an jeder dieser Lampen eine rote Überwachungskamera. Dies ist bereits das erste Kunstwerk am Fluss der Aktion „Über Wasser gehen“, heißt Abnehmende Aussicht und stammt von Bogomir Ecker. Es geht nur ein kurzes Stück weiter auf dem Radweg, bis die Mündung des Rexebachs in die Seseke erreicht wird. Ohne es zu merken wurde die Stadtgrenze nach Kamen überfahren.
Es geht am Nordrand von Heeren-Werve, einem kleinen Ortsteil von Kamen, entlang. Besondere Sehenswürdigkeiten sind das Haus Heeren und die benachbarte evangelische Kirche. Die Hammer Straße kann wahlweise bequem unter der Brücke oder – bei Hochwasser – ebenengleich gekreuzt werden.
Die Mündung des Mühlbachs in die Seseke kann von einem Rastplatz und Aussichtspunkt mit einem Fernrohr beobachtet werden. Dahinter quert der Sesekeweg den Fluss erneut (es wird nicht die letzte Flussüberquerung heute gewesen sein).
Modellhäuser am Ufer
Nach fast 300 Metern ist das nächste Kunstwerk erreicht: Drei Modellhäuser am Fluss, zwei auf dieser, eines auf der anderen Flussseite. Here comes the rain again stellt drei Gebäude unterschiedlicher Baustile im Maßstab von 1:10 aus Beton und Edelstahl samt einem umgebenen Garten dar. Im Größenvergleich wird die Seseke zu einem großen Fluss, was die Anfälligkeit von Naturkatstrophen ausdrückt. Ein Gebäude entspricht dem Bauhausstil von Walter Gropius, eines einem Bungalow von Mies van der Rohe und eines einem Fertig-Einfamilienhaus von Weber.
Biegt man an den Modellhäusern links ab, gelangt man zur Heerener Straße und dort rechts haltend zum Wasserschloss Haus Heeren. Hinter einer Vorburg steht das Herrenhaus aus dem 17. Jahrhundert in einer Gräfte, einem Wassergraben. Besonders auffällig sind der quadratische Turm mit markanter Turmhaube sowie ein Treppenhaus auf der Rückseite. Das Gelände wird für Veranstaltungen genutzt, meist lässt sich immerhin der Innenhof der Vorburg begehen (bitte Schilder beachten).
Zurück auf dem Radweg: Ein Stück weiter verlässt der Weg das Seseke-Ufer, um kurz darauf zum Fluss zurückzukehren. Hier lädt ein besonderer Rastplatz im Geröll zu einer Pause ein. Ein im Feld stehender Windsack deutet es an, aber bei entsprechender Höhe der Feldfrüchte wird er verdeckt: Hier befindet sich der Segelflugplatz Kamen-Heeren.
Nach Flussseitenwechsel und Überquerung der Derner Straße verwehrt bei Hochwasser eine Schranke die Einfahrt in einen tiefliegenden Wegeabschnitt im Bereich der Autobahnbrücke: Die A1 wird unweit des berühmten Kamener Kreuzes unterfahren. Direkt dahinter erreicht den Seseke-Weg die Klöcknerbahntrasse am Knotenpunkt 1 des Radrevier.Ruhr. Auf diesem Bahntrassenradweg wird beispielsweise die Marina in Rünthe angefahren. Ganz kurz folgt man dem Weg über die Seseke, biegt aber sofort wieder links ab, um den Fluss erneut zu überqueren.
Wachsender Steg und Fünf-Bogen-Brücke
Das nächste Kunstwerk am Seseke-Weg befindet sich noch vor der nahenden Eisenbahnstrecke links und kann, wenn man nicht darauf achtet oder das weiße Schild wahrnimmt, leicht übersehen werden. Weil es schon recht zugewachsen ist. Doch das liegt nicht an der fehlenden Grünpflege, sondern ist Absicht.
Es handelt sich um einen weißen Aussichts-Stahlsteg, der in Zukunft auf Roteichen gegründet sein soll. Bis die Bäume tragfähig sind, ist ein Hilfsgestell verbaut. Das Werk heißt passenderweise Wachsender Steg und stammt vom Bureau Baubotanik. Direkt nebenan zeigt ein kleiner Lehr- und Forschungspark die Eignung verschiedener Baumarten für derartige Bauprojekte.
Apropos Bauprojekt: Direkt hinter dem Wachsenden Steg überquert die Bahnstrecke Dortmund-Hamm die Seseke und den Radweg über die sogenannte Fünf-Bogen-Brücke. Was sich harmlos anhört und aussieht, ist eine der ältesten im Originalzustand betriebenen Eisenbahnbrücken in Deutschland von 1846. Sie wurde anlässlich des Baus der Stammstrecke der Cöln-Mindener Eisenbahn errichtet. Seitdem führt die Bahnstrecke über (überraschenderweise) fünf Kreissegmentbögen aus Stein über den Fluss. Ehrfurchtsvoll und mit Respekt wird die Sesekebrücke unterfahren.
Von Kamen zum Seepark Lünen
Direkt hinter der Fünf-Bogen-Brücke wird es recht plötzlich städtisch. Eben sind wir noch durch Felder gefahren, nun befinden wir uns mitten in Kamen, die Stadt, nach der das berühmte Kamener Kreuz benannt ist. Der Weg überquert erneut die Seseke und verläuft zunächst noch als Radweg, später aber in einer Fahrradstraße durch die südliche Innenstadt. Rechts am Wegesrand ist als kleines Denkmal eine der typischen Sohlschalen zu sehen, die bis vor kurzem noch in großer Stückzahl hintereinander den Fluss kanalisiert haben.
An der großen Brücke lohnt ein kurzer Abstecher zum historischen Markt. Besonders auffällig sind die alten Häuser und der Brunnen. Nach Norden schließt sich eine kleine Fußgängerzone an. Wer möchte, kann hier in Cafés oder in einem Restaurant einkehren. Was Bönen sein kubischer Förderturm als Wahrzeichen ist, ist Kamen sein Kirchturm. Genauer gesagt: sein schiefer Kirchturm. Wobei eigentlich nicht der Kirchturm schief ist, sondern die Turmhaube, also die Spitze. Sie soll wohl absichtlich gen Westen geneigt sein, um dem vorherrschenden Westwind besser widerstehen zu können.
Seit kurzer Zeit ist das zentrumsnahe Seseke-Ufer der Stadt Kamen schön gestaltet. Es gibt hier kleine Liegewiesen, Spielplätze und Sportgeräte. Über Treppen oder die Böschung ist das Wasser zugänglich geworden. Dazu sind Blumen- und Staudenbeete angelegt.
Das Ende dieser Spiel-, Sport- und Erholungszone markiert die Brücke der Hochstraße, eine langgezogene Brücke der hier mehrspurig ausgebauten B233. Wir halten uns auf der Straße Am Schwimmbad bis zum Ende geradeaus.
Abstecher zur Pixelröhre (10)
Am Knotenpunkt 15 an der Sesekebrücke besteht die Möglichkeit zu einem nicht direkt am Sesekeweg befindlichen Kunstwerk der Serie „Über Wasser gehen“ zu fahren. Wir fahren also entgegen der Beschilderung der Hauptroute links, biegen rechts in die Wilhelm-Bläser-Straße ab und passieren in einem Gewerbegebiet einige Sportplätze. Rechterhand erhebt sich bereits das Fördergerüst der Zeche Grillo, dort kommen wir später aber noch vorbei. Nach ca. 600 Metern halten wir uns geradeaus-rechts. Ein Schild weist kurz vor der Brücke zur Pixelröhre, die kurz darauf erreicht wird.
Das Kunstwerk stammt von Wolfgang Winter und Berthold Hörbelt. Die kurze Röhre erinnert an einen Abwasserkanal. Sie hat außen und innen Spiegel oder blankpolierte Flächen, sodass sich der Effekt eines gerasterten Fotos ergibt. Betrachtende in der Röhre schauen Richtung Mündung des größten Nebengewässers der Seseke, des Körnebachs. Von hier aus führt übrigens der Radweg entlang der Körne Richtung Dortmund.
Zeche Grillo
Biegen wir am Knotenpunkt 15 rechts ab und folgen weiter der Hauptroute, empfängt uns bald ein Baumlehrpfad in der Neubausiedlung Seseke-Aue. Für ein kurzes Stück fahren wir auf einem weiteren Bahntrassenradweg (ebenfalls beschrieben im Beitrag zur Klöcknerbahntrasse), der in südlicher Richtung zum Bahnhof und in nördlicher Richtung letztlich zur Klöcknerbahn fährt.
Es schließt sich das alte Gelände der Zeche Monopol mit der Schachtanlage Grillo an. Linkerhand erhebt sich bald die Bergehalde mit einem eigenen Kunstwerk, dem Steinkreis. Als Alternativroute kann die Bergehalde hier erklommen und auf der anderen Seite wieder verlassen werden. An einem kleinen Rastplatz mit rostigen Gegenständen im Gras, die sicherlich irgendwas mit Bergbau zu tun haben, treffen sich die Wege wieder.
Die Zufahrt zu einer Kläranlage wird überquert und schattig geht es weiter bis zur Hilsingstraße. Die Kamener Mitte liegt nun hinter uns.
Jetzt
Abermals wird die Flussseite gewechselt und es geht munter weiter. Eine große Wand aus Gabionen mit freigelassenen Buchstaben formt das Wort, das einen Moment beschreibt, aber kurz darauf schon in der Vergangenheit liegt: JETZT und der Fluss. Und zwar genau dort, wo der Braunebach von links in die Seseke fließt. Diese poetische Erleuchtung verdanken wir Christian Hasucha. In den Buchstaben kann man sitzen und Pausieren.
Geräuschmäßig wird es klar: Wir nähern uns einer weiteren Autobahn. Diesmal ist es die A2. Unmittelbar an der Abfahrt Bergkamen verläuft der Radweg wieder so tief unter der Brücke her, dass er bei Hochwasser gesperrt wird. Von rechts mündet der Spülbach in die Seseke. Auf der anderen Flussseite liegt Gut Velmede. Nicht weit davon entfernt befindet sich im Mühlenbruch ein durchaus sehenswerter und etwas gruseliger Privatfriedhof der bekannten Familie Bodelschwingh.
Hoch auf einem Deich geht es in gutem Tempo weiter, wobei von hier aus der Verkehr auf der A2 beobachtet werden kann. Der Blick nach rechts führt hinter dem Wäldchen bald zur Halde Großes Holz mit dem charakteristischen weißen Stab auf dem Gipfel. Parallel zu einer Straßenbrücke quert eine Radwegbrücke erneut den Fluss. Die Straße wird an einer etwas gefährlichen Stelle ebenengleich überfahren – am besten hier absteigen, denn von rechts ist der Autoverkehr nur spät zu erkennen.
Line of Beauty
Sowohl der Weg als auch der Fluss nehmen nun eine sehr charakteristische S-Form an und biegen im rechten Winkel erst nach Norden ab und kurz darauf wieder nach Westen. Die geschwungene Form des Radwegs, die die lange Gerade zwischen diesen beiden 90°-Wenden etwa in der Mitte unterbricht, lenkt den Blick auf die Line of Beauty – das fünfte Klärwerk. Hier hat die Künstlerin Susanne Lorenz den historischen Verlauf des Flusses vor seiner Kanalisierung nachgestellt und eine Art biologischen Wasserfilter geschaffen. Man erinnere sich an die Einleitung, dass für den Sesekeumbau vier Kläranlagen errichtet wurden. Es liegt auf der Hand, dass der Titel dieses Werkes genau auf diesen Fakt hindeutet.
Inzwischen hat der Seseke-Weg nun endgültig Bergkamen erreicht. Der Stadtteil Oberaden hat eine äußerst interessante Geschichte und steht auf einem alten Römerlager. Nicht nur Asterix-Lesern könnte daher der Römerlehrpfad gefallen, der um und durch das alte Lager führt und einige Orte und Gegebenheiten erläutert. Er passiert übrigens auch die markante Martin-Luther-Kirche von Oberaden, die auf dem Radweg schon von Weitem sichtbar ist und an eine Grubenlampe erinnert.
Landschaften im Fluss
In der zweiten scharfen Kurve entdeckt man links in einem recht breiten Abschnitt der Seseke die Landschaft im Fluss von Thomas Stricker. Bewachsen ist diese Insel von Sumpfzypressen. Der Kuhbach mündet aus Bergkamen kommend in die Seseke. Und wir müssen abermals die Seite wechseln. Hinter der Brücke queren wir auch die Stadtgrenze nach Lünen.
Jetzt kommt sogar ein Stück, in dem sich der Radweg am weitesten vom Fluss entfernt. Vorbei an Gehölzen einer Gärtnerei fahren wir leicht bergauf auf Niederaden zu, biegen aber bald rechts ab durch die Felder. Hinter dem Lüserbach (der natürlich auch in die Seseke mündet) führt der Weg rechts zurück zum Ufer auf einem Deich, der wiederum genau die Stadtgrenze zwischen Bergkamen und Lünen markiert.
In Hogarth´s Dream nimmt Diemut Schilling abermals die Line of Beauty auf. Hier steht eine organisch geformte hölzerne Bank am Ufer. Ursprünglich gehörte noch ein im Fluss schwimmendes Metallobjekt dazu, das aber vermutlich Metalldieben zum Opfer gefallen ist, und eine Audio-Installation.
Allerspätestens am folgenden kreuzenden Asternweg wird Lünen endgültig erreicht. Hinter einer langgestreckten Linkskurve kreuzen wir die Preußenstraße, die rechterhand die Seseke überbrückt.
Ich habe früher in einem der Häuser an der Preußenstraße an der Brücke über die Seseke gewohnt. Damals konnte man vom Wohnzimmerfenster noch auf die Straße schauen. Diese bildet heute eine meterhohe Rampe. Das Haus liegt inzwischen hinter einem hohen Deich.
Ehemaliger Anwohner zum Thema Bergsenkungen an der Seseke
Auf einer Baumallee am Ufer der Seseke geht es auf dem Radweg weiter. Das Ziel ist greifbar nah.
Vom Seepark nach Lünen
Die Allee führt in den Seepark. Der Fluss unterquert an dessen Rande den Datteln-Hamm-Kanal mittels eines Dükers. Wir halten uns geradeaus und biegen am Restaurant mit Strandterrasse am Horstmarer See rechts ab. Der See entstand anlässlich der Landesgartenschau auf dem ehemaligen Zechengelände im Jahr 1996. Heute ist das Gebiet ein beliebtes Naherholungsgebiet und vielgenutzer Badesee.
Wir müssen die Rampe zur alten Kanalbrücke hinauffahren. Auf der anderen Seite geht es wieder hinab und recht nah vorbei an Schloss Schwansbell, das über den nächsten Abzweig rechts erreicht wird.
Etwas verschlungen und im Zickzack geht es an den Nebenstraßen von Lünen bis zur Mündung der Seseke in die Lippe gegenüber der Victoria-Halde.
Mündung der Seseke in die Lippe
An der Mündung treffen wir auf zwei weitere Themen-Radwege: die Römer-Lippe-Route und den Lippeauenweg, der mit zahlreichen Stationen die Auenlandschaft östlich und westlich der Innenstadt erschließt. Er führt direkt an der Mündung vorbei, die eine von vielen Erlebnisstationen mit anschaulichen Informationen darstellt. Der Weg kann mit dem Fahrrad oder als Wanderung durchgeführt werden.
Man die letzte Brücke über die Seseke nutzen, um dicht an die beiden Flüsse zu gelangen. Dieser Zusammenfluss besteht erst seit den 1930er Jahren an dieser Stelle. Denn bis 1934 mündete die Seseke westlich der Innenstadt in die Lippe unweit der heutigen Salford-Brücke (Graf-Adolf-Straße) und umfloss diese auf der anderen Seite. Um die Stadt vor Hochwasser zu schützen, erfolgte die Umlegung.
In der historischen Karte oben aus den 1920er Jahren ist der damalige mäandrierende Verlauf der Seseke in Lünen in orange dargestellt. Zum Vergleich dazu ist der in den 1930er Jahren begradigte heutige Verlauf mit der neuen Sesekemündung ab 1934 in blau markiert. Die Lippe ist das dicke blaue Band vom rechten Rand bis zur linken oberen Ecke.
Stadtmitte von Lünen
Wie in Kamen und Bönen lohnt auch in Lünen die Fahrt in die Innenstadt. Die liegt nicht einmal 500 Meter von der Sesekemündung entfernt und bietet eine Fußgängerzone, die die Lippe überquert. Das nördliche Ende markiert die Persiluhr, wo es gleich zwei Eiscafés gibt.
Von hier aus ist es auch nicht weit zum Hauptbahnhof. Wer allerdings plant, mit dem Zug zurück zum Ausgangspunkt in Bönen zurückzufahren, muss feststellen, dass es keine Direktverbindung gibt. Via Dortmund und Unna oder Hamm muss man sogar zweimal umsteigen.
Wer mitgezählt hat, kommt übrigens auf zwölf planmäßige Seseke-Überquerungen auf einer Strecke. Wer mit kleineren Kindern unterwegs ist, kann dies zum Anlass nehmen und zählen lassen!
Koordinaten für GPS-Geräte und zur Tourenplanung
Geographische Koordinaten:
Orte von Interesse am Radweg von Ost nach West:
51°34’54.3″N 7°47’50.8″E – Treffpunkt Sesekeweg (Flierich)
51°35’28.5″N 7°45’00.3″E – Ostpol und Schwimmbad Bönen
51°35’28.6″N 7°40’38.8″E – Fünf-Bogen-Brücke
51°35’30.9″N 7°39’52.5″E – Marktplatz Kamen
51°35’28.4″N 7°39’43.7″E – Schiefer Kirchturm Kamen
51°35’22.5″N 7°38’53.4″E – Zeche Monopol / Schacht Grillo
51°36’07.6″N 7°32’49.6″E – Kanaldüker
51°36’38.4″N 7°31’47.6″E – Sesekemündung
Orte der Sesekekunst von Ost nach West:
51°35’15.9″N 7°44’21.9″E – Abnehmende Aussicht
51°35’11.8″N 7°43’08.2″E – Here comes the Rain again
51°35’26.9″N 7°40’40.9″E – Wachsender Steg
51°35’12.8″N 7°38’41.1″E – Pixelröhre
51°35’19.5″N 7°37’23.3″E – JETZT und der Fluss
51°35’56.4″N 7°34’55.7″E – Line of Beauty
51°36’08.3″N 7°34’51.5″E – Landschaft im Fluss
51°36’11.4″N 7°33’44.0″E – Hogarth´s Dream
Die Koordinaten können in das Eingabefeld von beispielsweise GoogleEarth und OpenStreetMap kopiert werden.
UTM-Koordinaten (Zone 32):
Orte von Interesse am Radweg von Ost nach West:
416678 m, 5715206 m – Treffpunkt Sesekeweg (Flierich)
413414 m, 5716317 m – Ostpol und Schwimmbad Bönen
408383 m, 5716409 m – Fünf-Bogen-Brücke
407493 m, 5716496 m – Marktplatz Kamen
407322 m, 5716422 m – Schiefer Kirchturm Kamen
406351 m, 5716257 m – Zeche Monopol / Schacht Grillo
399378 m, 5717785 m – Kanaldüker
398205 m, 5718760 m – Sesekemündung
Orte der Sesekekunst von Ost nach West:
412669 m, 5715941 m – Abnehmende Aussicht
411248 m, 5715839 m – Here comes the Rain again
408422 m, 5716355 m – Wachsender Steg
406109 m, 5715962 m – Pixelröhre
404616 m, 5716197 m – JETZT und der Fluss
401798 m, 5717391 m – Line of Beauty
401724 m, 5717760 m – Landschaft im Fluss
400427 m, 5717882 m – Hogarth´s Dream
Nützliche Informationen zum Lesen der Koordinaten und Verwendung in GPS-Geräten bietet der Beitrag Anreise, GPS und Co.
Quellen und weitere Informationen:
Seseke-Weg: radrouten.eglv.de